Heuernte Anno Dazumal
Großvater erzählt
Von Josef Werner
In der Zeit – so kurz nach dem I. Weltkrieg – war es üblich, dass fast in jedem Haus Vieh vorhanden war. Nachdem Ackerland und Wiese in Durbach selbst ziemlich rar war, musste man in den Gemarkungen bis fast hin zum Rhein Futter für das Vieh erstehen. Besonders begehrt waren die Wiesen an der Kinzig.
Schon damals musste viel Geld für das Futter bzw. für Heu- oder Öhmdgras bezahlt werden. Preise von 150 RM für ein Futterlos waren nicht selten. Die damals vorhandenen Taglöhner bzw. Arbeiter und Pendler waren finanziell oft besser in der Lage bei Futterversteigerungen bei den Preisen mitzuhalten als kleine Bauern. Hatte man so ein Futterlos dann ersteigert, so musste man zu Fuß oder mit dem Viehfuhrwerk die weite Strecke zurücklegen. Schon der Weg zur Arbeit mit der Sense war also eine halbe Tagesreise, sodass man zeitig um 03:00 Uhr oder spätestens bei Tagesanbruch sich auf den Weg machte. Fuhr man mit dem Viehfuhrwerk, so hatte man zumindest den Vorteil, dass man im Gegensatz zum Vieh einigermaßen ausgeruht zur Arbeit kam.
Zu Zweit oder Dritt hintereinander wurde gemäht und jeder der vorausmähte, musste sich sputen, dass ihm der Hintermann nicht zu nahe kam. Bei der großen Entfernung zu den Gemarkungen Offenburg bis Willstätt, in der Hauptsache aber Bühl, Griesheim oder Weier, musste man sich natürlich für den ganzen Tag versorgen. Vesper, Most oder Tee gehörten deshalb in den Rucksack oder Korb. Zum Vespern hatte man während den Pausen zwischen dem Heuwenden Zeit. Die Gabeln und Rechen waren damals vielfach noch aus Holz und meistens selbstgemacht. Je nachdem wie das Wetter war, musste man auch damals den Weg an die Kinzig zwei oder drei Tage hintereinander machen. Fahrräder als Fortbewegungsmittel standen nur ganz Wenigen zur Verfügung.
Nicht selten kam es vor, dass bei Hochwasser das mit viel Mühe getrocknete Heu oder Öhmd von der Kinzig mitgenommen wurde. Diese Tatsache war auch einmal Anlass für einen heute immer noch amüsanten Ausspruch eines Durbacher Bauern. Als er die Bescherung sah und dann nach Durbach zurück kam, erzählte er: „Heidesack nomol nie, am liebschde hätt i mi uffghängt! – Awer kei Baum – kei Seil – witt un breit nit!“
Während der Besatzungszeit kurz nach dem I. Weltkrieg hatte Großvater auch einmal ein Futterlos in Oberkirch an der Rench ersteigert, unweit vom Gasthaus „Zum Schlüssel“. Während man zum Mähen und Heuwenden zu Fuß über Schloss Staufenberg – Bottenau ging, musste man mit dem voll beladenen Heuwagen über Nußbach – Nesselried – Ebersweier – Unterweiler zurück nach Hause. Die kürzere Strecke über Bottenau – Heimbach hätten zwei Kühe wegen dem steilen Anstieg und –Abstieg nicht bewältigen können.
Die französische Besatzungsmacht hatte damals ab 8 Uhr abends eine allgemeine Ausgangssperre angeordnet und in den kleineren Gemeinden um Offenburg wurde täglich von berittenen Soldaten entsprechende Kontrolle durchgeführt ob diese Ausgangssperre eingehalten werde. Als Großvater kurz vor 20 Uhr mit seinem Fuhrwerk in Ebersweier ankam, riefen ihm schon die Leute zu, er solle sich beeilen, denn die Franzosen wären schon oberhalb der Kirche. Die von der langen Strecke schon zermürbten Kühe bekamen mit dem Stock kräftig auf den Schwanz geschlagen und so konnte das Heu noch am selben Tage nach Hause gebracht werden.
(Durbacher Heimatteil vom 21.6.1985)